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Reizblase: Alles über Symptome, Ursachen und Therapie
Mit steigendem Alter ist es eine Erfahrung, die immer mehr Menschen – vor allem Frauen – machen: Die Blase drückt, eine Toilette wird dringend gesucht, dort kommt nur wenig Urin.
15.04.2024
20 min
Mit steigendem Alter ist es eine Erfahrung, die immer mehr Menschen – vor allem Frauen – machen: Die Blase drückt, eine Toilette wird dringend gesucht, dort kommt nur wenig Urin. Und innerhalb kürzester Zeit, oft schon nach einer Stunde, ist der Harndrang wieder da. In solchen Fällen sprechen Ärzte von einer Reizblase oder überaktiven Blase, einer Fehlfunktion des Organs, die verschiedene Ursachen haben kann. Ärzte gehen davon aus, dass ca. 10 bis 20 Prozent junger Menschen unter einer Reizblase leiden. Bei Älteren sprechen die Schätzungen von ca. der Hälfte, wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich höher sein dürfte, da das Thema für viele ein Tabu darstellt. In unserem Beitrag erklären wir Ihnen, was eine überaktive Blase ist und welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Denn es gibt Hilfe für Betroffene, und damit auch die Chance, wieder mehr Lebensqualität zu gewinnen.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine Reizblase? Symptome
- Woher kommt die Reizblase? Ursachen
- Diagnose einer Reizblase
- Therapie-Möglichkeiten
Was ist eine Reizblase? Symptome
Bei einem gesunden Menschen sammelt sich der Urin in der Blase normalerweise über Stunden, und der Drang, auf die Toilette zu gehen, steigt sukzessive und kann auch unter Umständen verzögert werden. Bei Menschen mit einer Reizblase kommt der Harndrang viel öfter, häufig sogar in nur stündlichen Abständen – auch nachts –, sehr plötzlich und kann nicht kontrolliert werden. Trotz des Harndrangs ist die Blase aber meist so gut wie leer – bei der Blasenentleerung wird kein bis wenig Urin abgegeben, manchmal ist das Wasserlassen von Schmerzen begleitet. Zuweilen kommt es auch zu Urinverlust, da die Betroffenen es nicht rechtzeitig auf die Toilette schaffen (Drang-Inkontinenz).
Wer eine Reizblase hat, verliert sehr schnell an Lebensqualität, und die Erkrankung verursacht zusätzlich psychischen Stress. Die Betroffenen trauen sich nicht mehr, sich für längere Zeit an Orten aufzuhalten, an denen womöglich keine Toilette zur Verfügung steht, scannen an jedem neuen Ort die Umgebung nach Toiletten ab und können sich auf diese Weise nicht mehr entspannen, sondern leider unter Angst und Nervosität. Das wiederum kann auch die Blasenfunktion beeinflussen – ein Teufelskreis, der einer Behandlung bedarf, um den Alltag der Patienten wieder angenehmer zu gestalten.
Eine Reizblase wird oft auch als Blasenschwäche bezeichnet. Dies ist allerdings eine andere Erkrankung. Informationen zur Blasenschwäche finden Sie in diesem Beitrag.
Woher kommt die Reizblase? Ursachen
Wie genau die Reizblase entsteht, steht bis heute nicht sicher fest. Es wird vermutet, dass die Funktion des Blasenmuskels soweit gestört ist, dass sich die Blase zusammenzieht und damit den Harndrang auslöst, obwohl sie nicht vollständig gefüllt ist.
Es gibt viele Ursachen, die eine Reizblase hervorrufen können. Bei beiden Geschlechtern können es Veränderungen in den Harnwegen sein, die die Dysfunktion auslösen, zum Beispiel Tumoren in der Harnröhre oder Blase oder auch Harnleiter- bzw. Blasensteine. Häufige Blasenentzündungen können ebenfalls zu einer geschwächten Blase und damit zur Reizblase führen, außerdem jahrelanges zu häufiges oder zu seltenes Wasserlassen und auch Verstopfung und Übergewicht. Parkinson, Schlaganfall, Alzheimer, Gehirntumore oder andere neurologische Erkrankungen können ebenfalls eine Reizblase hervorrufen.
Bei Frauen ist es meist ein geschwächter Beckenboden, der die Blasenfunktion beeinträchtigt. Eine Geburt, Übergewicht, Unterleibsoperationen oder übermässige Belastungen können dafür verantwortlich sein, dass sich die Blase, die Scheide oder die Gebärmutter absenken und die Fehlfunktion hervorrufen. Mit steigendem Alter erhöht sich auch die Anzahl betroffener Frauen, denn auch der Östrogenmangel nach den Wechseljahren kann zu einer Reizblase führen.
Männer mit einer gutartigen Prostatavergrösserung oder Prostatakrebs können ebenfalls eine Reizblase entwickeln.
Nicht selten hat die Reizblase aber auch psychische Ursachen, die stressbedingt sind. Deshalb wird die Erkrankung auch Stressblase genannt. Sie kann beispielsweise ausschliesslich von negativen Umständen am Arbeitsplatz hervorgerufen werden.
Diagnose einer Reizblase
Die Reizblase bedarf einer sogenannten Ausschlussdiagnose: Der Arzt oder die Ärztin führt verschiedene Untersuchungen durch, um zuerst andere Erkrankungen auszuschliessen, zum Beispiel eine akute Blasenentzündung, neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson oder Bandscheibenvorfälle, Erkrankungen des Stoffwechsels wie Diabetes Mellitus oder auch Tumore bzw. -steine in den Harnwegen und in der Blase, bei Männern auch Prostatatumore.
Patienten mit Verdacht auf eine Reizblase führen ausserdem ein sogenanntes Miktionsprotokoll, das in die Diagnostik mit einfliesst. Darin notieren sie die Trinkmengen, Urinmengen und die Zeiten der jeweiligen Toilettengänge.
Nach dem Ausschluss aller anderen Möglichkeiten kann der behandelnde Arzt dann die Diagnose „Reizblase“ stellen.
Therapie-Möglichkeiten
Eine Reizblase entwickelt sich schleichend – die Abstände zwischen den Toilettengängen werden immer kürzer, der Harndrang setzt immer plötzlicher ein, während die Urinmengen sinken. Je früher Patienten die Reizblase diagnostizieren lassen, desto schneller kann die Behandlung beginnen und ein Fortschreiten der Erkrankung stoppen bzw. die Symptome lindern. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Reizblase zu behandeln. Bei allen sollten Patienten bedenken, dass es Zeit braucht, bis die Massnahmen wirken, sogar bis zu mehreren Monaten. Geduld ist hier also gefragt, gepaart mit einer positiven Einstellung der Therapie gegenüber.
Ohne Medikamente
Zuerst wird – je nach Art und Intensität der Symptome, aber auch Ursachen – meist versucht, den Patientinnen und Patienten Linderung ohne Medikamente zu verschaffen. Auf Grundlage des Miktionsprotokolls erstellt der behandelnde Arzt einen Plan für ein Blasentraining, zu dem Beckenbodenübungen gehören, aber auch eine Verhaltenstherapie. Teil des Trainings sind beispielsweise Übungen zur Stärkung des Beckenbodens, aber auch bewusstes Hinauszögern des Harndrangs. Durch Biofeedback – die Messung der Muskelspannung im Dammbereich durch spezielle Elektroden – wird der Erfolg kontrolliert. Die Reduzierung von Stressfaktoren – beispielsweise Änderung der Umstände am Arbeitsplatz – gehört ebenfalls zu dieser Art der Behandlung.
Medikamentöse Behandlung
Helfen pflanzliche Präparate oder das Blasentraining nicht ausreichend, werden den Patienten oft Medikamente verschrieben, sogenannte Anticholinergika. Deren Wirkstoffe – Darifenacin, Tolterodin oder Trospiumchlorid – hemmen die Reizübermittlung der Nerven und können damit die Symptome der Reizblase lindern. Darüber hinaus gibt es auch Beta-3-Agonisten, die vor allem die Dranginkontinenz reduzieren können, da sie den Blasenmuskel entspannen. Diese Medikamente haben allerdings zum Teil starke Nebenwirkungen und sollten daher nur in Notfällen und streng nach den ärztlichen Vorgaben eingenommen werden.
Frauen, die aus hormonellen Gründen unter einer Reizblase leiden, erhalten oft Östrogenpräparate in Form von Scheidenzäpfchen.
Operation an der Blase
Eine weitere Form der medikamentösen Behandlung der Reizblase sind Botox-Injektionen. Der Wirkstoff Botulinumtoxin wird in die Blasenwand gespritzt, was die Blase entspannen, beruhigen und damit die Symptome lindern kann.
Sollten all diese Behandlungsmethoden nicht helfen, gibt es als letzten Ausweg operative Möglichkeiten wie einen Harnblasenersatz oder eine Vergrösserung der Blase (Blasenaugmentation).
Tipps bei Reizblase
Neben den Behandlungsmöglichkeiten gibt es auch einige Tipps, die dabei helfen können, den Harndrang zu reduzieren und so die Behandlung zu unterstützen.
- Verzicht auf Alkohol und Nikotingenuss
- Ernährungsumstellung, so dass reizende Lebensmittel nicht oder nicht mehr so oft verzehrt werden. Dazu gehören Zitrusfrüchte, Tomaten, Konservierungs-, Süss- und Aromastoffe.
- Diät/Abnehmen, wenn die Reizblase von Übergewicht ausgelöst wird.
- Gleichmässiges Trinkverhalten während des Tages
- Ausreichende Trinkmengen – zu wenig Flüssigkeit reizt die Blase ebenfalls.
- Mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen keine Getränke mehr